liebt // 26.08.2011

Der kleine Brüllbär

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Ich glaube nicht, dass Du sie kennst. Ich kannte sie bisher auch nicht. Dabei teilt Ihr euch sogar den Tag der Feierei des Älterwerdens: 7. Oktober. Ich glaube aber, dass sie viiiieeeel älter ist – Du bist ja auch noch jung. Noch jünger warst Du, als ich noch ganz jung war, aber das spielt jetzt keine Rolle. Früher war das mal so, aber das ist laaaange her. Früher hat es mich auch manchmal sehr gestört, wenn Du mir wieder ein viereckiges Etwas mitgebracht hast. Ganz viele bunte Quadrate hatte ich als Kind, deren Äußeres eigentlich so schrill war, dass es nicht noch einen noch schrilleren Einband in Geschenkpapier benötigt hätte, aber das macht Mama eben so. Also die Rede ist dann wohl von Kinderbüchern, aber eigentlich auch von einer Erwachsenen – nämlich Ingrid Uebe. Diese Dame hat in deinem ersten Windeljahr ihr erstes Buch veröffentlicht und dann noch viele Weitere; sie hat auch das Buch geschrieben, an welches ich mich irgendwie immer erinnern muss, wenn ich an Deine Bedeutsamkeit für mein Literatentum denke. „Der kleine Brüllbär“ lag in dem Frontfach des schwarzen Rucksacks, den ich am Tag der Zeugnisvergabe in der Grundschule – ich glaube es war in der zweiten Klasse – bekommen habe, bevor wir zum Ballett mussten. Ich muss dann also so ungefähr acht oder neun Jahre alt gewesen sein und Ballett hatte ich damals doch immer dienstags und/oder freitags, oder? Ich weiß das auch alles nicht mehr so genau. Ich fand den Rucksack so mittelprächtig, weil er eben nur schwarz war – und sehr quadratisch. Ich mochte ihn aber auch nicht sehr, weil Du damit bestimmt hast, dass die Tasche, in die bis zu diesem Tag immer meine Schläppchen und der hellblaue Anzug kamen, nicht mehr meine Balletttasche sein durfte. Du konntest ja aber auch nicht wissen, dass ich auch noch über zehn Jahre später kleine Blümchenmuster wundervoll finden würde, deswegen bin ich Dir auch nicht mehr böse. Die Tasche war ja auch so klein…Irgendwann habe ich dann entdeckt, dass das Frontfach des schwarzen Rucksacks in seiner eckigen Form noch durch einen eckigeren Inhalt bestärkt wurde. Dieser Inhalt war dann also das Buch des kleinen Brüllbären, der seinem Namen wirklich alle Ehre in der Lektüre machte, die aber bei Kinderbüchern immer nur eine halbe Stunde umfasst, weil die Illustratoren sich immer so wichtig nehmen müssen und denken, dass man das Wort „Baum“ noch durch einen ganzen Wald von gezeichneten unechten Bäumen darstellen muss…Es war wieder ein Ravensburger Buch, die kannte ich schon gut. Manchmal sind die Bücher dieses Verlages auch wohl eher für die Eltern als für ihre Kinder gedacht, denn sie sprechen mit ihren Altersangaben  – ab 6 Jahren, ab 8 Jahren – irgendwie immer nur die Väter und Urgroßeltern an, die nicht wissen, dass das Kind schon fünf Finger zählt. Die Altersangabe auf dem Buch erregte dann auch in der Situation ganz schön viel Wut bei mir, weil ich nämlich schon ein Jahr mehr aufweisen konnte. Ich glaube, dass ich richtig wütend war und Dir das auch mal wieder gezeigt habe, aber in meinem Zeugnis standen bestimmt an diesem Tag auch folgende zwei Sachen: 1. Sarah kann bereits fließend lesen und liest gerne, mit lauter und klarer Stimme, im Klassenverband vor; 2. Sarah kann häufig noch nicht mit Kritik umgehen, nimmt diese viel zu persönlich und zeigt sich dann häufig verschlossen, sodass ihre Klassenkameraden nicht wissen, wie sie mit ihr umgehen sollen. Den Bezug dieser Charakterbeschreibungen zu meiner Wut muss ich wohl hier nicht erarbeiten. Also ich war beleidigt. Mama, ich konnte doch schon so gut lesen! Nein, Mama, ich bin gar nicht wütend! Der Brüllbar machte die Sache dann irgendwie auch nicht besser, weil der echt anstrengend war – ich weiß aber gar nicht mehr warum. Zu dumm! Andere Zeiten kamen, wir wurden beide nicht jünger, aber ein wenig klüger. Mittlerweile verschenkst Du nur noch schöne Bücher – auch ganz ohne schwarze Rucksäcke und Wälder! Aber wenn Du mir irgendwann einmal einen „Twilight“-Roman schenken solltest, dann könnte ich vielleicht sogar darüber lachen und mich nicht so wütend zeigen wie früher. Schön, dass wir uns beide weiterentwickelt haben…Meine Entwicklung ist aber in großen Teilen Deinem Tun zuzuschreiben und so möchte ich mich hier in aller Öffentlichkeit für alle Bücher, die von Dir in meine kleinen, dann mittleren und jetzt großen Hände gelegt wurden, bedanken, denn man muss sich ja auch mal mit schlechter Literatur befassen, um die Gute dann als solche erkennen zu können, was ja fast schon mein Job ist – aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte…

DANKE MAMA!

P.S. Ich mag Pixie-Bücher über Conni immer noch sehr…