fühlt // 22.02.2012

Kleine Abhandlung von der großen Empfindsamkeit des weiblichen Herzens

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Die Gesellschaft und auch das Zeitalter, in dem wir leben, plädiert immer wieder für eine Gleichbehandlung der Geschlechter; die männliche Monokultur in den schwergewichtigsten deutschen Unternehmen soll aufgebrochen werden, Papis sollen die Baby-Zeit für sich entdecken, damit auch Mamis Karriere auf Alice Schwarzers nächstem Kassenschlager brilliert und überhaupt können Besuche beim Friseur und der Kosmetikerin doch auch gemeinsam erlebt werden – Vorsatz für das Jahr 2012 war ja ohnehin mehr Zeit miteinander zu verbringen… Bei all den Versuchen, die Gleichbehandlung hier und anderorts anzukurbeln, werden allerdings häufig auch Differenzen übersehen: man(n) darf zwar gerne die Anti-Falten-Crème seiner Gattin testen, doch bei Medikamenten und auch Gefühlen sollte man(n) sich die physiologischen und psychologischen gender-Spezifitäten  − insbesondere in Herzensangelegenheiten − einmal wieder in das metrosexuell verblendete Gedächtnis rufen!

Hier (m)ein Aufruf: die Medizin praktiziert allzu häufig eine rigorose Gleichmachung, die gefährlich sein kann. Haben Sie sich bei der Einnahme von Kopfschmerztabletten beispielsweise schon einmal gefragt, ob Sie – als 1,60 m große und 50 Kilo leichte und weibliche Person – dieselbe Menge an Kügelchen oder abgerundeten Rechtecken zu sich nehmen sollten wie Ihr 30 Zentimeter größerer Mann, dessen Breitschultrigkeit Ihnen das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln kann? Nein? Seien Sie beruhigt, denn er hat sich darum bisher sicherlich auch nicht gesorgt!

Frauen bekommen nicht nur andere Krankheiten als Männer, sondern ihre Herzen reagieren bisweilen auch anders als die ihres männlichen Gegenparts. Bestimmte Antiallergika (Terfenadin), Antibiotika (Erythromycin) und sogar Mittel gegen Herzrhythmusstörungen können das weibliche Herz so aus dem Takt bringen, dass es seinen Dienst ganz verweigert − das tut es zwar auch bei Männern, aber drei Mal häufiger bei Frauen, deren Herzen schneller schlagen und störanfälliger sind. Einige Mittel führen bei Frauen zu „heftigeren“ Nebenwirkungen, weil sie sich im Blutkreislauf stärker anreichern; zum Beispiel die Betablocker Metropolol oder Propanolol. Nicht selten kann man diese schwerwiegenden Auswirkungen bei der Einnahme von Medikamenten der Tatsache zuschreiben, dass diese für 75 Kilogramm schwere Menschen standardisiert sind und somit für die weibliche Size-Zero-Generation viel zu stark sind. Die Gleichschaltung von Mann und Frau findet in der Medizin folglich genau an dem Punkt ein Ende, wo weit verbreitete Vorurteile auf das Spielfeld kommen: immer noch hält sich hartnäckig das Gerücht, dass bei Frauen der Brustkrebs die häufigste Ursache für den Tod sei. Das ist jedoch falsch, denn die meisten Frauen sterben, ebenso wie Männer – hier funktionieren wir also wieder analog −, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Frauen kommen jedoch nach Beginn der ersten Symptome eines Herzinfarkts im Durchschnitt erst 2,5 Stunden später in die Klinik als Männer. Das liegt mitunter daran, dass ihre Symptome sich nicht selten von denen männlicher Patienten unterscheiden: sie leiden unter Atemnot, haben Bauchschmerzen oder sind schnell erschöpft − klassische Brustschmerzen sind hingegen häufig nicht vorhanden.

Dieser kleine wissenschaftliche Exkurs in das Schwarzlichtviertel der Pharmaindustrie sollte verdeutlicht haben, dass die Empfindsamkeit des weiblichen Körpers mit ihrem Zentrum Herz eine andere ist als die des männlichen Körpers. Aus diesem Grund spreche ich mich hiermit für eine differenziertere Wahrnehmung von Seiten der Männer aus: gehen Sie vorsichtiger mit Ihrem Porzellanpüppchen um! Auch wenn die „Eroberung des weiblichen Herzens“ ein seit Jahrhunderten tradierter und zugleich beliebter Topos in der Literatur ist, so machen Sie sich bewusst, dass die Ausstattung für eine solche Eroberung kein Schwert, Degen oder gar einen Dolch erfordert! Ferner sitzt −  und darauf verweist dieses fantastische Foto oben auf eindrückliche Weise – das weibliche Herz unter der Brust! U, n, t, e und r! Sie erobern kein weibliches Herz durch penetrantes Herumgefummel, -geknete oder -gelecke an und auf einer weiblichen Brust. Die Sache mit der Liebe und den großen Gefühlen ist ein tiefgründiges Thema – also versuchen Sie es auch mal wieder tiefer!