forscht // 10.02.2013

Eine Frage der Farbe.

Alteritätskonstruktionen in Claire Golls Der Neger Jupiterraubt Europa

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1. Einleitung

„[W]ir nähren uns von Farbe“[1], konstatiert die weibliche Hauptfigur Alma in Claire Golls 1926 erschienenem Romandebüt Der Neger Jupiter raubt Europa. Mit diesen knappen und trockenen Worten unternimmt die blonde Europäerin den Versuch, ihr im Verlauf der Erzählhandlung verändertes Verhalten gegenüber ihrem afrikanischen Ehemann, der titelgebenden Figur Jupiter, zu erklären. „Ein gelber, ein roter Mann wären ihr schon wie eine Befreiung vorgekommen […]“ (NJ 132), so der Erzähler fortführend, womit sich zeigt, dass der Text „[d]ie Figurenkonstellationen […] zu einem Großteil über die Thematisierung von Farben verhandelt […]“[2] und zugleich vor allem „de[n] Zusammenhang von Alteritätskonstitution und Körper als eine Frage der Farbe […]“[3] herausstellt.

Obgleich der Text die Frage aufruft, wie die Figur des Anderen im Kontext „einer Dichotomie von (europäischem) Selbst und (kulturellem) Anderen“[4] zu denken ist, problematisiert er ebendiese „schematische Konzeption des Anderen“[5] zugleich, indem er eine Lesart nahelegt, die den Rezipienten auch Alma als eine (weibliche) Alteritätsfigur deuten lässt.[6] Beide Figuren hegen den Wunsch, „eine Subjektposition […] in einer Gesellschaft [zu erlangen], die sie auf die Position des Anderen (als Anderes des weißen Mannes) festschreibt“[7]. Die Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen Position verhandeln die Hauptfiguren über ihre Hautfarbe, die sie beide als defizitär empfinden. So unternimmt nicht nur Jupiter den (in der Seifenwerbung des Kolonialismus populär gewordenen und dort postulierten) Versuch, sich zu weißen, sondern auch Alma, die als (klein-)bürgerliche Tochter einer schwedischen Mutter und eines französischen Vaters schwedisch-rotwangige Natürlichkeit und französisch-bleiche Dekadenz vereint[8], versucht sich zu weißen – sie will sich „die echte rote Schminke […] mit weißer Oelfarbe übermalen lassen […]“ (NJ 7).[9]

„Aus d[]er Doppelbesetzung der Figuren als Subjekt und als Alteritätsfigur, über die sich das Selbst konstituiert, speist sich [nicht nur] die Dynamik des Romans […]“[10], sondern auch die Forschungsliteratur bezieht sich auf ebendieses Spezifikum des Textes. Sie verhandelt vor diesem Hintergrund die Frage, wie sich der Text, der ob seiner Bündelung „nahezu alle[r] signifikanten Aspekte des zeitgenössischen Diskurses […]“[11] treffend als „Archivroman“[12] oder „dezidierte[r] Zeitroman“[13] bezeichnet wurde[14], zu dem seit der Aufklärung vorherrschenden Rassendiskurs positioniert.

Golls „Liebeskampf zwischen zwei Welten“[15], der „ein Panorama des Wilden in den europäischen Metropolen der 20er Jahre[16] [entwirft]“[17] und dabei „sämtliche Zuschreibungen und Redeweisen, die [d]er zeitgenössische Diskurs ausgebildet hat […]“[18], zitiert, schildert eine Beziehung, die zwar „anfänglich vom Reiz der Gegensätzlichkeit [lebt]“[19], sich jedoch „schon bald zu einer Mesalliance mit schließlich tragisch-gewaltsamem Ende […]“[20] entwickelt. Geschildert wird die Beziehung des Ehepaares von einer Erzählinstanz, in der für Dietrich „das wichtigste Deutungsproblem von Golls Roman [besteht]“[21] − denn „[n]icht nur die Figuren des Romans, sondern auch der heterodiegetische Erzähler bedient sich pauschaler Vorurteile.“[22]

Dieser Arbeit, die sich als werkzentrierte Betrachtung (und somit fernab biographischer Bezugnahmen[23]) mit dem Text auseinandersetzt, ist die Frage nach seiner Positionierung ebenfalls als Forschungsinteresse eingeschrieben. Es wird jedoch mit einem Lektüreansatz, der die Signifikanz des „extremely extensive and multivalent colour vocabulary“[24] im Text herausstellt, eine andere Grundlage zur Verhandlung dieser Frage dargelegt. Angeregt wurde dieser Zugang zum Text sowohl von Köhlers 2003 publiziertem Aufsatz, der herausarbeitet, inwieweit der gängige Topos der abendländischen Kultur – demnach der Andere der farblich Markierte ist, dem die farblich unmarkierte Position des weißen (männlichen) Subjekts gegenübergestellt wird – vom Text verkehrt wird,[25] als auch von einer eigens durchgeführten Zählung der Farbnennungen. Mit dieser Analyse des Farbvokabulars kann belegt werden, dass der Text mittels einiger Farben − fernab eines binären Farbsystems von Schwarz und Weiß – den Versuch unternimmt, die dichotomen Denkmuster des Rassismus aufzubrechen.

Nachdem im zweiten Kapitel aufgezeigt wird, inwiefern Alma und Jupiter sowohl als Paar als auch als Gegensatzpaar konstruiert sind und somit zugleich ein koloniales Denken von Alterität repräsentieren als auch ein neues Denken derselben postulieren, wird im dritten Kapitel erstens erläutert, welche Bedeutung den Hautfarben Schwarz und Weiß im Roman zugesprochen wird und welche der seit Jahrhunderten tradierten Bilder des weißen Ideals der Text re-produziert, und zweitens werden die Farbalternativen, die der Text aufzeigt, benannt und ihre Funktion bei der Anrufung des (jeweiligen) Anderen untersucht. Im Zuge dieser Farbanalyse wird ferner die Überlegung angestellt, ob der Text nicht auch anhand eines Rekurses auf die Forschungsrichtung Critical Whiteness Studies deutbar ist, die im angloamerikanischen Raum etabliert wurde. Somit wird die Frage diskutiert, inwiefern der Text implizit nicht auch einen kritischen Blick auf das Weißsein[26] antizipiert, der seit den 1990er Jahren mit den Critical Whiteness Studies einen großen Aufschwung erfahren hat und als interdisziplinäres geisteswissenschaftliches Forschungsfeld die Whiteness bzw. das Weißsein sichtbar machen will.

Die Schlussbetrachtung macht neben der Zusammenfassung der Analyseergebnisse darauf aufmerksam, dass sich der Blick auf Farben in der Literatur lohnt – nicht nur, um sich rassistisch besetzter Farbsemantiken (in literarischen Erzeugnissen) noch bewusster zu werden, sondern vor allem, weil die Farben einen bislang wenig beachteten Forschungsgegenstand in der Literatur bilden, der ästhetisch-poetologische und historisch-kulturelle Aspekte in einen gemeinsamen Bezugsrahmen zu fassen vermag.[27]

2. Alteritätsfiguren: Alma und Jupiter als (Gegensatz-)Paar

„Alma scheint […] genauso wie Jupiter das Paradox der begehrenden Alteritätsfigur zu verkörpern“[28], so das Ergebnis von Köhlers (Figuren-)Analyse. Wo Jupiter, der zwischen Selbstüberhöhung und -abwertung oszilliert[29], versucht, seiner instabilen Identität mehr Festigkeit zu verleihen, indem er „[d]en Dauerzustand einer respektablen gesellschaftlichen Stellung, einer weißen Männlichkeit also, in der er keinerlei rassistischen Demütigungen mehr ausgesetzt wäre, […] über seine Heirat mit Alma zu erlangen […]“[30] beabsichtigt, verspricht sich Alma von dem Ehegelöbnis ebenfalls ein gesteigertes gesellschaftliches Ansehen. Ihr Interesse an Jupiter wird vor allem durch den für den Afrikadiskurs dieser Zeit typischen Exotismus hervorgerufen[31]„[e]xotische Ländernamen entzünden europäische Mädchengehirne“ (NJ 24). Sie bekommt „Lust […] in d[]er heißen Szenerie [jener Zeit] mitzuspielen“ (NJ 26). Hier wird deutlich, dass ihrem Begehren ein ‚Spielcharakter‘ zuzusprechen ist, der mehr im (oberflächlichen) Zeichen der Mode als im Zeichen der Liebe steht. „Augenblicklich waren die Neger modern. Ihre Musik, ihre Skulptur, ihre Tänze beschäftigten vorübergehend die oberflächlichen Zehntausend der Gesellschaft“ (NJ 66), zu denen sich Alma zählt. Sie fühlt sich „verliebt. Ob in sich oder in ihn, das kann sie nicht so recht unterscheiden“ (NJ 26f.). Die Handlung wird von dieser Unsicherheit getragen und changiert zwischen dem Wunsch einer Liebe, „die es ermöglicht, den Anderen als Anderen zu lieben und anzuerkennen“[32], und der Enttarnung derselben als ein utopisches Konzept. Wo Alma und Jupiter in einem Augenblick „weder Weiß noch Schwarz [sind], sondern zwei Menschen, die voreinander zittern“ (NJ 43), wird in der Fortsetzung der Szene darauf verwiesen, dass sich Alma „mehr denn je ein[bildet], daß sie ihn liebt […]“ (NJ 43). Wo die Liebe hier seitens Alma als Einbildung dargestellt wird, stellt auch Jupiter mit dem nachfolgenden Zitat die ‚wahre‘ Intention seines Werbens um Alma heraus:

So war es auch nicht nur Liebe, was ihn heute um Alma werben ließ. Ein Neger attachiert sich nicht so leicht. Ehrgeiz und Eitelkeit spielten in dieser Position […] eine große Rolle. Dem Weißen nicht ebenbürtig sein, das ist die ätzende Qual jedes ausgewanderten Schwarzen. (NJ 31)

Obgleich mit diesem Zitat die Sehnsucht Jupiters nach Ebenbürtigkeit mit ‚den Weißen‘ ausgerufen wird, wird diese Sehnsucht um den Drang erweitert, die vorhandenen hierarchischen Strukturen umzukehren, wenn er sagt, dass er mit „Alma […] alle weißen Frauen der Welt in den Armen [hält]. Alle, die seine Rasse zu beschimpfen, zu verspotten, zu verachten und damit zu betrügen wagten“ (NJ 70). Der Text verquickt also bzw. analogisiert, wie auch der folgende Textauszug belegt, die literaturwissenschaftlichen Kategorien gender und race miteinander. Es wird deutlich gemacht, dass nicht nur der ‚schwarze Mann‘ dem ‚weißen Mann‘ unterlegen ist, sondern die ‚weiße Frau‘ letzterem ebenso.[33] Mit der Thematisierung ihrer gesellschaftlichen Position stellt der Text die Ähnlichkeit beider Figuren trotz ihrer geschlechtlichen Differenz aus: Vor einer Frau gelingt es Jupiter, sich als Subjekt zu fühlen und seine Farbe als unbedeutend zu verstehen. Bei Almas Mutter beispielsweise, „dieser von Durchschnittssorgen ausgelaugten Frau[,] war die ausschlaggebende Farbe das Rosa seines Scheckbuches. Er konnte ruhig vergessen, daß er schwarz war“ (NJ 33).

Wenn Jupiter und Alma aufeinandertreffen wird einerseits zwar die Figurenkonstellation als eine Schwarz-Weiß-Dichotomie ausgestellt, gleichfalls parodiert der Text mit Sekora gesprochen auch „ein wichtiges Topos des traditionellen Kolonialromans“[34], bei dem eine ‚schwarze Frau‘ „als gefährliches Objekt der Begierde“[35] vom ‚weißen Europäer‘ erobert wird. Bei Goll trifft der ‚schwarze Mann‘ auf die ‚weiße Europäerin‘ und möchte diese erobern: „In tausend Jahren war die helle übermütige Rasse vielleicht schon von der seinen aufgesogen“ (NJ 77), sagt Jupiter, und artikuliert damit seinen Wunsch, das Machtgefüge der kolonialen Verhältnisse unter anderen Prämissen – mit ihm in der mächtigeren Position – zu wiederholen bzw. umzukehren. Das durch dieses Zitat implizit Jupiter zugeschriebene Gewaltpotential – es wird das Bild eines Einverleibungsaktes evoziert − artikuliert und materialisiert sich vor allem in der Farbe Rot, deren Bedeutung und Wirkungskraft im zweiten Teil des dritten Kapitels expliziert wird.

Der Roman verkehrt jedoch nicht nur den Topos des traditionellen Kolonialromans, sondern führt, mit Struck gesprochen, generell „die rassengenealogischen Klassifikationsversuche der Zeit ad absurdum“[36]. Sowie Alma eine europäische Bindestrichnationalität (schwedisch-französisch) zukommt, erläutert Jupiter seine ethnische Herkunft als „Verschmelzung ägyptischen, assyrischen, semitischen, maurischen, syrischen, Araber- und Berberblutes“ (NJ 11) und stellt korrigierend – wie ein Dozent auftretend (vgl. NJ 11) − die von den Europäern durchgeführte Zuordnung seiner Person in die ‚schwarze Rasse‘ als falsch heraus.[37] Er erklärt, dass die Peuhl, zu denen er sich zählt, „eine Mischung aus Weißen und Schwarzen“ (NJ 11) sind. Es zeigt sich folglich, dass eine Zuordnung der beiden Figuren in dichotome Denkmuster, die Alma und Jupiter als ein Gegensatzpaar kategorisiert, gewissermaßen auch vom Text subversiv unterlaufen wird, wenn das Aufzeigen der (nationalen und ethnologischen) Herkunft beider Figuren „doch auch Möglichkeiten der Vermischung und der Dynamisierung von Identitäts- und Alteritätsentwürfen andeutet“[38]. Obwohl Jupiter sich selbst als ‚schwarz‘ anruft, lässt der Text die Figuren erkennen, dass die Kategorien des binären Denksystems nicht (mehr) ‚ausreichen‘, um ihr Gegenüber zu beschreiben. Der folgende Textauszug belegt Almas beginnende Reflektion ihrer (sie auszeichnenden) ‚Rassenwahrnehmung‘:

Sie hatte die Neger immer nur als Masse gesehen. Es gab also Individuen unter ihnen? Dieser hier sah aus wie einer der heiligen drei Könige, ein biblischer Prophet oder ein Pharaone. […] Er hatte einen feinen, dünnen Hals und nicht den mächtigen Stiernacken, den sklavisches Lastentragen durch Jahrhunderte hindurch an vielen Negerstämmen gezüchtet hat. Die Stirn war stolz und fliehend wie das Kinn, die Nase gerade, und nur die etwas wilden Nasenlöcher bogen sich leicht orientalisch, wie man es häufig bei Indern sieht. (NJ 9f.)

Der hier vollzogene Verweis auf ‚das Andere im Anderen‘ wird im Roman signifikant häufig durch Attribuierung einer Person mittels Farbnennung wiederholt. Damit zeigt sich, dass die primäre Wahrnehmung des Anderen über die Sinne erfolgt. Diese sinnliche Wahrnehmung der Alterität steht den rassistischen Denkmustern, demnach Alma und Jupiter als gegensätzliches Paar (schwarz-weiß, markiert-unmarkiert, männlich-weiblich, Körper-Geist) konzipiert sind, teilweise gegenüber. So spricht Alma Jupiter eine Verwandschaft mit ‚den Weißen‘ zu, wenn sie meint, dass Jupiter nur „von außen angestrichen [ist]“ (NJ 10) ist. Sie bleibt jedoch letztlich dem Rassendiskurs treu; für sie bleibt Jupiter immer der Wilde, dessen „unzähmbare[s], gekreppte[s] Roßhaar“ (NJ 10) sie mittels einer Metapher aus dem Tierreich beschreibt. Hiermit wird eine Dimension des Rassismus aufgegriffen, die neben der Hautfarbe eben auch das Haar – dessen Struktur und Farbe – betrifft. Der Psychologin Ferreira zufolge galt (und gilt auch heute noch) neben der Haut das Haar als das sichtbarste Stigma ‚der Schwarzen‘, da es mit Worten wie „[s]chwarz – minderwertig – primitiv – Dschungel − Affe“[39] assoziiert wird. Auch die Erzählinstanz des Romans stigmatisiert die Haarpracht Jupiters auf diese Art: „Ach, sein Haar. […] [Es] wuchs schon wieder der erste Zentimeter dieses verräterischen Trauerkrepps nach […]. [M]an konnte sich einen Neger nicht anders vorstellen“ (NJ 37). An anderer Stelle wird das ‚Haarproblem‘ Jupiters über das Essen verhandelt. Die Erzählinstanz zeigt hier explizit, dass Jupiters Abneigung gegen seine Haare in sein Unterbewusstsein eingeschrieben ist:

Er hatte eine instinktive Abneigung gegen alle spiralförmigen Gegenstände der ganzen Welt. Wenn er darüber nachgegrübelt hätte, wäre er vielleicht darauf gekommen, warum. Wegen seiner Haare nämlich, von denen jedes einzelne eine ihm so verhaßte Spirale formt. (NJ 47)

Wo der Rezipient des Romans sich aufgrund der zahlreichen rassistischen Äußerungen Almas dazu geneigt fühlt, sich für eine dem Rassendiskurs zugewendete Positionierung des Textes auszusprechen, wird er an anderer Stelle jedoch dazu angeregt, seine Meinung zu revidieren, wenn auch Jupiter ‚die Weißen‘ als „unappetitliche[] Tiere“ (NJ 12f.) anruft. Die sprachlichen Setzungen der Sprechpositionen zeigen im Text insbesondere deren materielle Effekte, die Köhler im Rekurs auf Judith Butlers Körper von Gewicht folgendermaßen diskutiert: „Farbige und sprachliche Kodierungen konstituieren jeweils erst die Materialität, die sie nur zu beschreiben/zu färben scheinen“[40]. Farben sind folglich, so auch die Mediävistin Monika Schausten in der Einleitung des Sammelbandes Die Farben imaginierter Welten. Zur Kulturgeschichte ihrer Codierung in der Literatur und Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart, „keine greifbaren Gegenstände“[41]. Erst im Zusammenspiel mit dem Gegenstand, den sie attribuieren, zeigt sich ihre Funktion und die Entfaltung ihrer Effekte.

3. Farbvokabular: Die Signifikanz der (Anders-)Farbigkeit

3.1 Schwarz versus Weiß: Das binäre Farbsystem

3.1.1 Schwarzer Teufel, weißer Engel – Weiß als Ideal und Mythos

Die Grammatik hegemonialer Vorherrschaft in Zeiten des Rassismus bediente sich einiger Begrifflichkeiten, die entgegen vieler Annahmen nicht von rassistischen Ideologien erfunden worden sind, sondern bereits im Mittelalter geschaffen wurden.[42] Bereits das dominante Christentum erstellte die binäre Opposition von Schwarz und Weiß; es berichtete von ‚schwarzen Menschen‘, deren Körper die Gläubigen als Inbegriff der Repräsentation des Teuflischen v-erachteten.[43] Wenn Jupiter als „schwarze[r] Teufel aus der Unterwelt“ (NJ 36) bezeichnet wird, wird auf ebenjenes Farbenverständnis mittelalterlicher Mythen verwiesen, dass das Weißsein als Repräsentant von allem Göttlichen, Guten und Christlichen dem Schwarzsein entgegensetzt. Die heterodiegetische Erzählinstanz lässt nicht nur Jupiter mit dem „Aussehen eines diabolischen Götzen aus Ebenholz“ (NJ 68) und einem „Gesicht voll Dämonie“ (NJ 68) als Repräsentant bzw. als Verkörperung des Teuflischen auftreten, sondern lässt ihn sich selbst als Teufel bezeichnen, wenn er Alma die Reaktion der (Theater-)Gesellschaft auf ihr beider Erscheinen erklärt und dabei Alma zugleich im Bereich des Göttlichen verortet: „Die Mentalität der Weißen ist schuld, mein Kind. Gerade weil du wie ein Engel aussiehst, verzeihen sie es dir nicht, dich in den Satan verliebt zu haben“ (NJ 92). Zuvor – anlässlich der Hochzeit der Figuren – ruft der Text ebenfalls ein solches mittelalterliches Bild auf, das die Figuren in Unerreichbarkeit zueinander positioniert: „Ein reiner, von jedem Bazillus der Erde stirilisierter Engel. Und daneben er, der schwarze Teufel aus der Unterwelt“ (NJ 36).

Vor dem Hintergrund solcher Verweise kann argumentiert werden, dass Golls Text exemplarisch belegt, dass eine Abkehr von den Farben Schwarz und Weiß zur Attribuierung der Figuren in einer solchen Beziehungskonstellation keineswegs als Selbstverständlichkeit interpretiert werden kann. Sowie bereits die Figurenkonstellation des Romans – ‚schwarzer Mann‘ und ‚weiße Frau‘ − als Novum zu betrachten ist, ist auch die Thematisierung von Farbalternativen als ein literarischer Versuch zu verstehen. Es bedarf ferner der Integration der tradierten Farbsemantiken, um das farbliche Alternativvokabular als solches zu markieren bzw. sichtbar zu machen. Die Tatsache, dass der Text beispielsweise 85 Mal die Farbe Rot benennt, kann erst im Kontext der Gesamtanzahl der Farbnennungen gedeutet werden. Der Roman, der sich in der Argon-Ausgabe auf 145 und in der dtv-Ausgabe auf 120 Seiten erstreckt, verzeichnet 588 Farbanrufungen. Ohne die Darstellung des tradierten binären Farbsystems von Schwarz (131 Nennungen) und Weiß (127 Nennungen), das „paradigmatisch für alles Denken der Hautfarben ist“[44], und weiterer 76 Hell- und Dunkeldifferenzierungen, wären die Farben Rot, Blau und Gelb schlichtweg keine Alternativen. Die Schwarz-Weiß-Dichotomie ist folglich als elementarer Bestandteil des Textes anzusehen, da Jupiter aus dieser Gegenüberstellung seine Wut bezieht, die ihn zum Mörder werden lässt. Jupiter kann „nicht autonom, sondern nur im Verhältnis zu den Figurenkonstellationen betrachtet werden […], in denen er sich befindet“[45] und aus denen er seine Handlungsimpulse ableitet. Wenn er Bernardin de St.-Pierre zitiert, zeigt sich, dass sein ganzes Verhalten der etablierten kontrastierenden farblichen Gegenüberstellung der Gesellschaft geschuldet ist, die ihn immer auf die Position des markierten Objektes setzt:

Ein Schwarz dem Weiß gegenüber gestellt ruft den denkbar traurigsten und härtesten Effekt hervor. Dieser Kontrast ist ein Zeichen der Trauer bei den meisten Nationen, wie sie ein Zeichen der Zerstörung in den Stürmen des Himmels und den Orkanen des Meeres ist. (NJ 36)

Im Zeichen dieses Zitates ist Jupiters Traurigkeit zu verstehen, die jedoch in Härte gegenüber Alma umschlägt und in ihrem Tod mündet.

Wenn Alma und Jupiter als „Hirtin und der Schornsteinfeger“ (NJ 91) oder als „Champagner und Chokolade“ (NJ 91) besprochen werden, zeigt sich, dass die Gesellschaft Jupiter vor allem in Verbindung mit Alma problematisiert, wodurch sich Alma mehr denn je Jupiters Anders-Farbigkeit bewusst wird – „[w]ahrhaftig, sie fing an, seine Farbe als Gebrechen zu empfinden“ (NJ 95). Obgleich die ‚schwarze Position‘ als der ‚weißen‘ unterlegen gedacht wird, ist sie als markierte Position doch in der Lage, die unmarkierte, weiße Position zu färben. Alma fühlt sich von Jupiter geschwärzt: „Es ging ihr wie der Frau eines Buckligen, die unfreiwillig an dessen Verkrüppelung mitzutragen hat“ (NJ 96). Als Folge dieser Empfindung verkrüppelt auch die Liebe der Figuren zueinander, deren Aufrichtigkeit ohnehin von Handlungsbeginn an infrage zu stellen war. Die Ehe als Form der Vereinigung zweier Individuen scheint für die Figuren keinerlei Möglichkeit anzubieten, von der Schwarz-Weiß-Dichotomie zugunsten einer Vermischung ebendieser Farben abzukehren. So führt es auch McGowans Schlussfolgerung an: „Despite the extremely extensive and multivalent colour vocabulary in the novel, the word ‘grau‘ is absent […]“[46]. Auch anlässlich ihrer Schwangerschaft fühlt Alma sich nicht dazu ermutigt, ihre Denkmuster neu zu verhandeln. Vielmehr entsteht ein „Doppelgefühlt“ (NJ 99), das zugleich ihre Freude auf das Kind und auch ihre Furcht vor ebendiesem bezeichnet. „Wie würde es aussehen, das Kind von Jupiter und Europa? Würde es gezeichnet sein wie ein Zebra? Eine Mißgeburt aus Weiß und Schwarz?“ (NJ 99), fürchtet sie sich und leitet daraus ihren Versuch ab, „die Natur zu zwingen, den Mischling ihr und ihrer Rasse ähnlich werden zu lassen“ (NJ 100). Sie hofft, das Kind „vor der Qual der verachteten Farbe retten [zu können]“ (NJ 100), ist sich aber bewusst, dass die „Kennzeichen des Negerahnen“ (NJ 100) möglicherweise auch erst in späteren Generationen durchschlagen könnten. Obgleich Alma sich eingesteht, dass „die Mulatten und vor allem die Mulattinnen fast immer von eigenartiger Schönheit“ (NJ 100) sind − sie sogar rassistische Ideologien und deren Abwertung jeglicher Vermischung der Hautfarben als eine mögliche „Verleumdung“ (NJ 100) reflektiert −, erachtet sie es letztlich als nicht tragbar,

ihrem Kind das Rotbraun der Peuhl oder das Schwarz der Tukuleur als Geschenk mit auf die Welt mit[zu]geben. Ja, selbst das Quittengelb der Mestizen erschien ihr noch eine tragische Mitgift. Die weißen Götter mußten ihr helfen. Ihr Kind sollte weiß werden, weißer als Gips. (NJ 101).

Im Anschluss an diese Schilderung berichtet die Erzählinstanz von Almas Idee, „das Kind auf die Farbe Schwarz zu dressieren“ (NJ 116). An diese Einblicke in Almas Bewertung der Hautfarbe Schwarz und deren Auswirkungen auf sich und ihr Kind lässt sich meine Erkenntnis anschließen, dass alternative Farben zur Attribuierung des Anderen − fernab des binären Farbsystems – fast ausschließlich von Jupiter bzw. der teilweise internen Fokalisierung, die trotz ihrer Variabilität häufiger an die Figur Jupiter gebunden ist, angeboten werden. Wenn Alma die Farbe Braun (circa 30 Nennungen) verwendet, um Jupiters Person zu beschreiben, wird dies von mir folglich nicht als Abkehr von dem Schwarz-Weiß-Vokabular gedeutet. Es stellt auch keine Annäherung des Schwarzen an das weiße Ideal dar, vielmehr ist die Farbe Braun meiner Meinung nach als Variation der schwarzen Farbe zu lesen, die Jupiter ebenfalls als Wilden anruft und ihn in das semantische Feld des Dschungels verortet. Wenn Jupiter als „dattelbraun“ oder dem Braun der Kokosschale ähnlich beschrieben wird, werden abermals Bilder entworfen, die an den Begriff der Natur anknüpfen bzw. eindeutig im Exotischen verortet sind. Braun, als in der Natur häufig vorkommende Farbe, steht somit ebenfalls dem Weiß, welches im westlichen Diskurs unwiderruflich an die Aufklärung geknüpft ist, gegenüber. Der Naturmensch wird damit dem Verstandesmenschen gegenübergestellt. Mit Montesquieu ist ein Philosoph der Aufklärung benannt, welcher zusammenfasst, was Weißsein im Kontext dieser Epoche bedeutet, die prägend für den weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte ist:

Man kann sich nicht vorstellen, dass Gott, der doch ein allweises Wesen ist, eine Seele, und gar noch eine gute Seele, in einen ganz schwarzen Körper gelegt habe. […] Ein Beweis dafür, dass die Neger keine gesunde Vernunft haben, liegt darin, dass sie eine Halskette aus Glasperlen höher schätzen als eine aus Gold, das doch bei zivilisierten Völkern eine so große Bedeutung hat. Es ist unmöglich sich vorzustellen, dass diese Leute Menschen seien, denn wenn wir sie für Menschen hielten, müsste man anfangen zu glauben, dass wir selbst keine Christenmenschen seien.[47]

Vernunft, Zivilisation und Christentum repräsentiert demnach der weiße Mensch. Bereits die bloße Betrachtung einer ‚weißen Person‘ vermittelt die wichtigsten Informationen. Der ‚weiße Körper‘ inkorporiert dem Philosophen zufolge alle Attribute von Herrschaft und wird als Träger der Seele verstanden. Die hierarchische Spitzenposition, die ‚die Weißen‘ sich somit selbst zusprechen, gilt es zu erhalten, denn wenn es dazu käme, dass ‚Schwarze‘ als Menschen gälten, sähe Montesquieu alle Ordnung ins Wanken geraten. Auch der bekannteste britische Philosoph des 18. Jahrhunderts, David Hume, artikuliert mit seiner polygentischen Weltauffassung,

dass die Neger […] den Weißen von Natur aus unterlegen sind. Es gab noch nie eine zivilisierte Nation von anderer Hautfarbe als der weißen oder auch einen einzelnen von Bedeutung in Tat und Spekulation. Keine erfindungsreichen Manufakturen bei ihnen, keine Künste, keine Wissenschaften.[48]

Dieser Einblick zeigt, dass die Aufklärung nicht den Menschen in den Mittelpunkt des Universums gestellt hat, sondern den weißen europäischen Mann.

Wenn der Roman seitens Jupiter von zahlreichen Versuchen, sich zu weißen, berichtet, sind diese ‚Weißwaschungen‘ im Kontext der Menschheitsgeschichte zu lesen, die bereits seit Jahrhunderten eine ‚weiße Hautfarbe‘ idealisiert und mythisiert.

3.1.2 Versuche der Weißung

Ach, was hatte er nicht alles versucht, um heller zu werden! Als er noch ein kleiner Junge war, hatte ihm der Senegalese […] einmal gesagt: „Stelle dich in den Regen!“ Und er stellte sich in den Regen. In alle Regen, die es je gegeben hatte zwischen seinem achten und fünfzehnten Jahre, hatte er sich gestellt. In den feinen, zärtlichen Landregen, in den plötzlich kalten Platzregen, in den Wolkenbruch, der über einen warmen Sommer kommt wie eine Ohrfeige, und in den eifrigen Tropenregen, der wie Manna auf die hungrige Erde und in die vertrockneten Lungen der Pflanzen fällt. (NJ 13)

Durch Jupiters erste, schon in Kindestagen vollzogene, Versuche, sich zu weißen, produziert der Text Bilder, mit denen bereits die Seifenwerbung im Kolonialismus gearbeitet hat. Anne McClintock zeigt mit ihrem Beitrag zur Sozialgeschichte der Seife im Zeitalter des Imperialismus auf, dass die Grundlage dafür, dass beispielsweise der bekannte niederländisch-britische Konzern Unilever mit Werbeslogans wie „Soap is Civilisation“[49] effizient arbeiten kann, von dem Britischen Empire gelegt wurde.

At the beginning of the nineteenth century, soap was a scare and humdrum item and washing a cursory activity at best. A few decades later, the manufacture of soap had burgeoned into an imperial commerce; Victorian cleaning rituals were peddled globally as the God-given sign of Britain’s evolutionary superiority, and soap was invested with magical, fetish powers.[50]

Golls Schilderungen der Versuche von ‚Weißwaschungen‘ sind demnach als ein literarisches Echo zu deuten, das diese kolonialen Bilder reproduziert; die Reproduktion schreibt diese Bilder jedoch nicht unkommentiert in den Text ein, sondern verweist deutlich auf ihre soziale Dimension, die McClintock treffend zusammenfasst:

The poetics of cleanliness is a poetics of social discipline. Purification rituals prepare the body as a terrain of meaning, organizing flows of value across the self and the community and demarcating boundaries between one community and another. Purification rituals, however, can also be regimes of violence and constraint. People who have the power to invalidate the boundary rituals of another people thereby demonstrate their capacity to violently impose their culture on others.[51]

Die Wiederaufführung der Versuche des Weißens bei Goll – darunter ihre Ausweitung auf die Figur Alma – schreiben sich somit in ein kollektives Gedächtnis ein, das sich insbesondere seit den 1990er Jahre darum bemüht, das Erbe kolonialherrschaftlicher Verhältnisse sichtbar zu machen.

Jupiter, der diese soziale Dimension des Waschens auf seiner Haut austrägt, kommt zwar zu der Erkenntnis, dass „er […] alle Nuancen des Regens [kannte]“ (NJ 13) und seine Unternehmungen ihn letztlich fast haben sterben lassen, weil der „Regen das Fieber in die glühende Haut hineingejagt [hatte]“ (NJ 13), es gelingt ihm jedoch nicht, seine Reinigungszeremonien mit dem Ziel der Weißung zu unterlassen. Von seinem „Ritus der Hygiene“ [NJ 73), seiner „Hingabe an die Seife, aus deren weißem Schaum er sich ein dickes Kleid anlegte“ (NJ 73), wird auch noch nach der Hochzeit berichtet, von der er sich eine Weißung erhofft hatte.[52] Alma ist nicht in der Lage, die Reinigungsrituale ihres Ehemannes zu deuten − [w]oher hätte Alma auch ahnen sollen, daß sein Mißbrauch von Wasser und Seife einer krankhaften Angst entsprang, ihrer Nase zu missfallen?“ (NJ 73). Sie wird hiermit von der Erzählinstanz als unwissend dargestellt, wohingegen die Erzählinstanz diese Waschprozeduren in einen historischen Bezugsrahmen setzt, wenn das Bild des mit Schaum eingeseiften Jupiters mit den Lynchopfern des Ku-Klux-Klans, „die zuerst geteert und dann in weiße Federn gerollt werden“( NJ 73), verglichen wird.

Obgleich durch solche Szenen der Eindruck beim Leser erweckt wird, dass Jupiter seine Hautfarbe grundlegend ändern will, lässt Goll ihre Hauptfigur an anderer Stelle erläutern, dass dieser eine weiße Hautfarbe lediglich in der Gesellschaft von ‚Weißen‘ von für wünschenswert betrachtet − als eine Tarnfarbe, womit der Opfer-Status und das damit einhergehende Verlangen, Schmerz zu vermeiden, veranschaulicht wird: „[w]arum konnte er nicht Mimikri annehmen! Eine Schutzfarbe der Seligkeit! Wie die Tiere sich der Erde oder den Pflanzen anpassen, um der Verfolgung durch das Schicksal zu entgehen“ (NJ 79).

Wie bereits in der Einleitung herausgestellt, ist auch Almas Auseinandersetzung bzw. Problematisierung ihrer Hautfarbe eine, die sich in Gesellschaft anderer − als jeweils Anderes in Abgrenzung zum Eigenem − artikuliert. Wenn Alma sich mit „weißer Oelfarbe“ (NJ 7) schminken will, erweist sich der Text als ein Echo kolonialer Körperkonstruktionen und antizipiert zugleich eine Folge ebendieser: das gegenwärtige Schönheitsdiktat der sogenannten Weißmacher-Industrie[53]. Alma fühlt sich von Jupiter und dessen Eroberung geschwärzt. Sie ist zu s-einem Objekt geworden. Es kann folglich argumentiert werden, dass der Text ihren Körper als eine Landschaft verhandelt, auf der sich Jupiter gewaltvoll – im Habitus des Kolonisators − eingeschrieben hat: „Ein roter Anhänger war in ihre Haut tätowiert. Die Spur seines Amuletts“ (NJ 71). Aus dieser unterworfenen – oder auch kolonisierten − Situation versucht sich Alma nun durch ihre Affäre mit Olaf, dem blonden Schweden, zu befreien – ein unbewusster Akt der Befreiung, der versucht, die bestehenden Machtverhältnisse dieser Ehe, in der ihr verboten wird, das Haus zu verlassen, umzukehren.

Sie wußte es selbst nicht einmal, daß sie von Olaf eine Art Rehabilitierung und Wiedereinreihung in die weiße Gesellschaft erhoffte. (NJ 133). Der Überblonde aber war wie ein Heilbad, eine chemische Reinigung von den rußigen Umarmungen Jupiters […]. (NJ 132f.)

Mit diesem Reinigungsakt wird das tragische Ende der Erzählung besiegelt; die binären Denkmuster − die Anrufung der Farben Schwarz und Weiß zur Attribuierung des Anderen – werden hierdurch noch weiter gefestigt, wo doch zuvor mit den Farben Gelb und Blau (zumindest von Jupiters Seite ausgehend) versucht wurde, den Anderen ‚anders‘ – und somit entgegen der rassistischen Ideologie − anzurufen. Das folgende Kapitel diskutiert sowohl die Farben Gelb und Blau als Alternative zur Schwarz-Weiß-Dichotomie als auch die Farbe Rot, die die Schlusspassage farblich markiert, wenn die erdolchte Alma auf ihrer Brust eine „rote[] Blumenkomposition“ davonträgt (NJ 144) − als Zeichen der Unmöglichkeit, den Anderen zu lieben.[54]

3.2 Farbalternativen und ihre Funktion

Er wollte auf alle Knöpfe zugleich drücken. Den roten, den gelben und den blauen, bis er sich erinnerte, daß er gar keinen blauen Knopf hatte. (NJ 20)

3.2.1 Gelb als markiertes Weiß?

Wenn Jupiter beim Anblick von Alma „blond vor Augen [wird]. Getreidefelder […] um ihn herum [wogen], und Kornblumen […]aus den Tapeten [wachsen]“ (NJ 16), dann ist das nicht nur die ‚gespiegelte‘ Antwort auf Almas Ohnmacht – ihr war zuvor kurz beim Anblick Jupiters „ein wenig schwarz vor Augen“ (NJ 16) geworden −, sondern erweist sich darüber hinaus als eine von dem Schwarz-Weiß-Vokabular abgewandte Farbanrufung. Mit dieser Farbanrufung wird der unmarked marker, die Farbe Weiß, farblich besetzt, was als Antizipation eines kritischen Blickes gedeutet werden kann, der im Zuge postkolonialer Lektüren von den Critical Whiteness Studies gefestigt und ausgebildet wurde. Ganze 85 Mal ruft der Text die verschiedensten Töne gelber Farbe (Honig, gold, Weizenfeld, schwefelgelb, Champagner usw.) in Verbindung mit Alma auf. Im Zuge der Erkenntnis, dass Rassismus nicht bekämpft werden kann, indem man sich ausschließlich mit den Effekten und Symptomen dieser hegemonialen Herrschaftspraxis auseinandersetzt, sondern man sich den Strukturen, die den Rassismus fortwährend festigen, zuwenden sollte, wird das Weißsein als eine unbenannte und unmarkierte Norm infrage gestellt. Obgleich Jupiter mit seiner von der gelben Farbe dominierten Attribuierung Almas diese als farblichen Gegensatz zu sich selbst verhandelt, was insbesondere durch die 76 Hell- und Dunkeldifferenzierung im Text belegt wird, lassen sich an die Verwendung der gelben Farbe zwei Thesen knüpfen: Erstens kann argumentiert werden, dass Jupiter Alma mit der gelben Farbe als Alteritätsfigur verhandelt − erkennt, dass die Position der weißen Frau der seinen ähnelt und sie deshalb auch farblich anders zu besetzen ist als die des weißen Mann −;  zweitens kann diese Farbanrufung auch als Verweigerung jener Loyalitätsbekundung gedeutet werden, die Alma benötigen würde, um ihr Weißsein „in seiner Dominanz zu erneuern, mit Inhalt zu füllen und [sich] ständig neu inszenieren“[55] zu können.

Gemäß diesem Verständnis als performativem Akt ist Weißsein nicht in den Kategorien von Haben oder Sein abzuhandeln, sondern es geht um performances/Aufführungen, um Gestaltungen, auch um Rollengestaltung und Rollenerhalt.[56]

Obgleich das Weißsein bereits als Mythos herausgearbeitet wurde und dem Mythos mit Roland Barthes gesprochen der Zweck zukommt, die Welt unbeweglich zu machen“[57], zeichnet sich Weißsein auch „durch eine Flexibilität aus, welche zum einen Stabilität verleiht, zum anderen Weißsein aber auch zum umkämpften Ort macht“[58]. Von Beginn der Beziehung zu Jupiter an muss Alma darum kämpfen, den Status ‚einer Weißen‘ zu behalten. Im Anschluss an diese Betrachtung des Weißseins als performativen Akt, kann die Affäre Almas mit Olaf auch als Einholung jener Loyalitätsbekundung gedeutet werden, die Jupiter seiner Frau verweigert, wenn er sie nicht als ‚Weiße‘ anruft.

Weißsein wird hier also als Praxis, als Auf- bzw. Ausführung eines Selbstverständnisses gesehen, welches jedoch kein unumstößlicher Besitz ist, sondern dessen man sich gegebenenfalls neu versichern muss, das erkämpft werden muss oder verloren gehen […] kann.[59]

Die These, dass Jupiter mit seiner markierenden gelben Anrufung Almas explizit seinen Besitzanspruch an ihrer Person bekundet, kann durch das nachfolgende Zitat gestützt werden:

Er sah, daß sie sich dort in den Bergen ihr Haar abgeschnitten, das lange blonde Haar, sein Eigentum. Das Weizenfeld, indem er einmal so glücklich gewesen, hatte ein frecher, gemieteter Schnitter abgemäht. Er beschloß hinzuschreiben und es vom Friseur zurückzuverlangen. (NJ 135)

Neben Deutungen der Farbe Gelb als ein Marker im Sinne der Critical Whiteness Studies ist die Farbe Gelb ferner auch im Rekurs auf die schwedischen Landesfarben zu lesen. Nicht selten wird sich dieser Farbe im Zusammenspiel mit der Farbe Blau – der zweiten Farbe der schwedischen Flagge – bedient. Der Verweis auf eine solche Deutung scheint mir insofern gerechtfertigt, als auch Almas Mutter, die Schwedin ist, in diesem Farbfeld verortet wird. Sie tritt als „gealterte, etwas vergilbte Kopie“ (NJ 32) von Alma auf und ihre Kleidung umschreibt Jupiter als „eine Mischung aus blondem Lindenblütentee, Soda und Wäscheblau“ (NJ 33), womit die Farben Schwedens anzitiert werden.

Wenn der Leser hier an die schwedische Herkunft Almas mütterlicherseits erinnert wird, so wird damit auch an Almas schwedische Rotwangigkeit erinnert, mittels derer sie zu Beginn des Text als eine Figur eingeführt wurde, die sich ihren weißen Status in der Gesellschaft ‚erschminken‘ will. Der Text verhandelt folglich das Weißsein Almas in seiner flexiblen und somit auch instabilen Form.

3.2.2 Blaue Blumenvisionen

Obwohl mit dem Diskurs um die Funktionalität der Farbe Gelb im Kontext der Erzählung eine Farbe genannt ist, die mit der Farbe Rot (mit je 85 Nennungen) die meisten Nennungen nach den Farben Schwarz und Weiß erzielt, ist es die Farbe Blau, die − trotz ihrer nur 30 Nennungen − von Köhler als Alternative zu der Schwarz-Weiß-Dichotomie diskutiert wird. Als Grund dafür ist ihre Assoziation zu der romantischen Suche der nach blauen Blume zu nennen, [60] als deren Symbolvorbild die Kornblume gehandelt wird, die ebenfalls im Text genannt wird. Generell entstehen ganze Blumenbeete vor dem inneren Auge des Rezipienten. Neben der Kornblume werden auch die Pflanzengattungen Enzian, Ehrenpreis, Vergissmeinnicht und Lavendel zur Anrufung von Almas Augen verwendet werden bzw. entstehen diese ‚Blumenvisionen‘ zunächst beim Anblick von Almas Augen,[61] verselbständigen „sich dann aber von diesen […], so daß die Vorstellung, die Schwarz-Weiß-Dichotomie durch die Farbe Blau überwinden zu können, als Illusion ausgestellt wird“[62]:

Jupiter sah in ihre Augen. Noch nie hatte er so viele Beete von Vergißmeinnicht in einem Garten oder auf einer Wiese stehen sehen. Überall wo er hinsah oder hinroch, wuchsen, standen, hingen, sangen und dufteten Vergißmeinnicht. Es war ihm so blau vor Augen, daß es eines dreimaligen starken Pochens an der Tür bedurfte, bevor die Gegenwart wieder ihre normalen Farben annahm. (NJ 44)

Jupiters Visionen − sein romantischer Traum „von himmelblauen Kindern“ (NJ 103) − wird ferner gänzlich ironisiert, wenn in Almas „blauen Vergißmeinnichtaugen […] Unkraut“ (NJ 116) wächst und das Kind beim Anblick des Vaters „blau im Gesicht“ (NJ 116) wird.

3.2.3 Der Konnex von Rot und Gewalt[63]

Mittels der Farbe Rot wird zunächst scheinbar eine weitere Alternative angeboten, denn als Farbe des Inneren des menschlichen Körpers (d. h. des Blutes und der Zunge, S. 10, 90) oder der Liebe scheint sie das universal Menschliche repräsentieren zu können, als Farbe der Peuhl […] das Bindeglied zwischen Schwarz und Weiß in Aussicht zu stellen.[64]

Obgleich Köhler hiermit einleitet, dass der Text hier − anstelle der Farbe Blau nun mittels der Farbe Rot – Vorstellungen einer wahrhaften Liebe ausstellt, die den dichotomen Denkmustern etwas entgegensetzen kann, ist die Farbe Rot im Kontext der Erzählung mehr im Konnex mit Gewalt zu interpretieren als im Zeichen oder als ein Symbol der Liebe. Wenn Alma Jupiter gestehen muss, dass sie Olaf getroffen hat, wird Jupiter „rot vor Augen“ (NJ 107) und

[a]n allen Gliedern zitternd, ließ er seine Finger krachen und knirschte wie eine Rassel mit den Zähnen. Dann war er sich auf sie und preßte ihr die Arme zusammen, um durch die Folter schneller die Wahrheit zu erlangen. (NJ 107)

Kurz nach dieser gewaltvollen Szenerie wird Alma von einer Wahrsagerin, deren rosa[65] Zettel – respektive Werbeflyer – ihr in die Hand gedrückt worden war, vor der Farbe Rot gewarnt: „Und hüten Sie sich vor der Farbe rot!“ (NJ 113), so die Wahrsagerin, die auf die Nachfrage Almas, ob sie nicht eher die schwarze Farbe meint, ebendiese Warnung nochmals nachdrücklich betont (und dabei zugleich differenziert – „purpurrot! (NJ 113).

Wenn sprachliche bzw. farbliche Kodierungen am Körper des Anderen justiert werden, wird es mit Köhler gesprochen

[g]efährlich […]. Der Verbindung von Rot, Universalität und Natürlichkeit ist damit immer schon der setzende Gewaltakt ›eingefärbt‹, den der Verweis auf Rot als Farbe des Blutes schließlich ebenfalls assoziiert.[66]

Jupiter vollzieht mit dem Mord an Alma zwar den gewaltvollsten Akt der Erzählung, es sind jedoch beide Figuren, die Spuren der Gewalt in roter Farbe hinterlassen und somit den Hass des jeweils anderen provozieren.

In ihren roten Sommersprossen, ihren roten Anstreichungen des Othellotextes, ihrer Sehnsucht nach rosa Lippen materialisiert sich jedoch […] die negative Kodierung und der damit einhergehende Haß auf Jupiters schwarzen Körper.[67]

Die Sommersprossen tauchen bei Almas Versuch auf , sich durch die Liebschaft mit Olaf zu weißen. Für ein Treffen mit dem blonden Schweden Olaf verlässt Alma im Sommer das Haus und setzt somit den Ein- und Auswirkungen der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht aus, die Jupiter den Indiz für ihren Betrug liefern. Der Akt der körperlichen Vereinigung mit Olaf repräsentiert aus Jupiters Perspektive einen (körperlichen und somit gewissermaßen auch einen gewaltvollen) Akt, bei dem ein ‚weißer Mann‘ in die von ihm ‚geschwärzte Frau‘ eindringt. Hier reproduziert der Text folglich das koloniale Bild der gewaltvollen Aneignung von Gebieten, bei denen die Farbe Rot in materialisierter Form des Blutes freigesetzt bzw. vergossen wurde.

Die roten Anstreichungen Almas in ihrem Othello-Text stellen hingegen ihre Form der Gewalt an Jupiter dar; es sind jene Passagen rot unterstrichen, in denen sich einer prejorativen Sprache zur Beschreibung der titelgebenden Figur, dem ‚Mohren‘ Othello, bedient wird. Es wird also hiermit die Bedeutung der performativen Macht der Anrufung „Neger“ für Jupiter ausgestellt. Der Othello-Text, der sich nahezu immer in demjenigen Zimmer befindet, in welchem sich Jupiter gerade aufhält, erinnert Jupiter somit an all das, was Menschen seiner Hautfarbe im Verlauf der Geschichte bereits widerfahren ist und in der Erzählzeit immer noch widerfährt.

Auf dem Toilettentisch lag aufgeschlagen ein zerlesenes Exemplar des Othello. Verschiedenes war rot angestrichen. Er folgte den roten Strichen wie Wegweisern in Almas Herz […]“ (NJ 125).

Wenn von diesen „Wegweisern“ in Almas Herz berichtet wird, zeigt sich damit, dass die roten Anstreichungen Jupiters Mordgelüste erst erweckt haben. Er empfindet Gefallen am Erdolchen seiner eigenen Ehefrau, das rote Blut auf ihrer Brust versetzte ihn in gärende Aufregung. Ein Tanz zuckte in seinen Gliedern, den man bei ihm zu Hause im Anblick des Blutes getanzt hätte“ (NJ 144). Er, der doch die gesamte Handlung über versucht hat, nicht der Vorstellung des Anderen zu entsprechen, kategorisiert sich hier letztlich in die Denkmuster der ‚weißen Rasse‘ ein, wenn er keinerlei Reue anlässlich seines Mordes zeigt.

Obgleich mit den zahlreichen Schattierungen der Farbe Rot, die im Text genannt werden, auf gewisse Weise versucht wird, die Kodierungsversuche dieser Farbe durch den Leser zu unterlaufen – die Farbe vermag nahezu alle Gefühle zwischen Himmel und Hölle zu beschreiben −, kann bzw. wird sie im Anschluss an Köhler von mir als „Farbe medialer und materieller Gewalt [ge]lesen“[68], deren letztes Bild die blutverschmierte oder -verzierte Alma zeigt und somit für mich die traurige Erkenntnis versinnbildlicht, dass in Zeiten des Rassismus eine Verbindung, die als eine Frage der Farbe und nicht als eine Frage der Liebe verhandelt wird, ein so tragisch-gewaltvolles Ende nehmen muss.

4. Schlussbetrachtung

In einem Text ist Farbe natürlich ein sprachlich produziertes Konzept, das nicht ohne Sprache als Medium funktioniert, wie der Einsatz von Farbe in Der Neger Jupiter raubt Europa zeigt, ist Farbe auch als diskursiv kodiertes Medium ähnlich den von Niklas Luhmann vorgeschlagenen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien denkbar.[69]

Köhlers Anregung zu einer Lesart, die die Farbe(n) im Kontext ihrer Bedeutung in Der Neger Jupiter raubt Europa als Teil oder als Erweiterung der (fünf) symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien (Macht, Geld, Liebe, Wahrheit und Kunst) von Luhmanns funktionalistisch radikalisierten Systemtheorie verhandelt, zeigt auf, dass Golls Text eine Thematik (farblich) zur Schau stellt bzw. antizipiert, die sich mit den Critical Whiteness Studies erst seit den 1990er Jahren in die Literaturwissenschaft eingeschrieben hat. Obgleich der Text die sich überlappenden und zugleich diametral zueinander positionierten Diskurse der Zeit vermeintlich unkommentiert nebeneinander stellt, ist es doch dieses Nebeneinanderstehen, das die Frage der Farbe meiner Meinung nach als eine kulturelle Praxis der Menschen zu allen Zeiten enttarnt: Alle Kulturen,

seien es historische oder gegenwärtige, seien es topographisch nahe oder ferne, […] [haben] zu allen Zeiten neben […] visuellen nicht zuletzt spezifische begriffliche Codes ausgebildet […], die es erlaubten und erlauben, einen Beitrag zu je spezifischen Diskursiven kollektiver und personaler Identitätskonstruktionen über je eigene Konzeptionen und Semantisierungen von Farben zu leisten.[70]

Wenn Jupiter hofft, dass Alma ihn morgen „stärker als heute“ (NJ 56) liebt, wenn er glaubt, dass er morgen „so schwarz […] sein [konnte], wie er wollte. Er konnte sogar rot, blau oder grün sein“ (NJ 56), verlegt der Text die Aussicht auf eine Liebe, die sich nicht über eine Frage der Hautfarbe manifestiert, in ein Morgen, von dem niemand wissen kann, ob es sein wird. Der Text spielt mit der Option, wie es (anders) sein könnte. Die Aussicht auf ein Aufbrechen rassistischer Denkfiguren und damit einhergehender Farbanrufungen wird demzufolge nicht vom Text verlegt, sondern vielmehr offengehalten − somit in Bewegung gebracht. Der Text „also anticipates still more recent debates about positionality, the interdependence, hybridity and heterogenicity of cultures and the subaltern complicity of Third World cultural elites“[71]. McGowan fügt dieser Betrachtung ferner hinzu, „that the novel does not escape the Eurocentrism it repeatedly mocks”[72]. Obgleich die Thematik des Romans bedrückend ist, scheint es mir doch wichtig − im Anschluss an Köhler und McGowan –, sein Spiel mit Farben als ein solches explizit herauszustellen.

Goll’s text contains elements of many of the[] crude over-simplifications, polarizations and projections. Indeed, though the novel refers occasionally to the realities of colonial rapaciousness or the exploitation of black domestic servants, its real focus is not empirical reality but sustained play with stereotypes.[73]

Über ein Spiel mit den Möglichkeiten zur alternativen Farbanrufung der Figuren des Anderen vermag der Text  − wenn auch nicht in seiner Erzählgegenwart – bei seinem Rezipienten ein Bewusstsein zu generieren, das die westlich tradierten Farbsemantiken als Reliquien hegemonialer Vorherrschaftszeiten deutet bzw. enttarnt.

Durch den ‚Farbmarker‘ Gelb werden Textpassagen, die der Rezipient eventuell unreflektiert gelesen hätte, gekennzeichnet. Die Häufigkeit der Farbe Gelb ist, wie durch den Verweis auf die durchgeführte Farbanalyse belegt wurde, signifikant; darüber hinaus – neben der Markierung einer traditionell unmarkierten Position – verweist das Gelb in Verbindung mit der Farbe Blau auf Almas schwedische Herkunft, die ebenso wenig wie Jupiters ethnische Zugehörigkeit zu den Peuhl als paradigmatisches Beispiel für eine Kategorisierung entlang der Schwarz-Weiß-Dichotomie bezeichnet werden  kann. In Golls Debüt treten demnach Figuren auf, die die farblichen Codierungen ihrer Zeit bereits ihrer Herkunft nach unterlaufen, womit Goll die „Möglichkeiten der Vermischung und der Dynamisierung von Identitäts- und Alteritätsentwürfen andeutet“[74].  Gleichzeitig hat es sich im Rahmen dieser Arbeit jedoch als schwierig erwiesen, über die zum Teil rassistisch besetzten Farbsemantiken zu schreiben, ohne sich selbiger zu bedienen. Es gilt folglich, sich (auch wissenschaftlich) von den theoretischen und künstlerischen Ausbeutungen der Farbsprache freizuschreiben. Wo auf wissenschaftlicher Ebene die Critical Whiteness Studies dieses Unternehmen begonnen haben, wird Golls Debüt als ein literarischer Versuch desselben Unterfangens interpretiert.

5. Literaturverzeichnis

Siglenverzeichnis

NJ = Goll, Claire: Der Neger Jupiter raubt Europa, Berlin 1987.

Primärliteratur

Goll, Claire: Der Neger Jupiter raubt Europa, Berlin 1987.

Sekundärliteratur

Sekundärliteratur zu Claire Golls Roman

Bischoff, Doerte: „Mode, Maske, Mimikry. Fetischismus und kulturelle Differenz in Claire Golls Der Neger Jupiter raubt Europa“, in: Böhme, Hartmut; Endres, Johannes (Hg.): Der Code der Leidenschaften. Fetischismus in den Künsten, München 2010, S. 382-407.

Broeck, Sabine: „Der Neger Jupiter raubt Europa: Primitivismus und Gender in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts“, in: Emmerich, Wolfgang; Kammler, Eva (Hg.): Literatur – Psychoanalyse – Gender, Bremen 2006,  S. 85-101.

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Maydell, Miriam von: „Das Zusammenwirken von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ in Claire Golls Roman ‚Der Neger Jupiter raubt Europa‘“, in: Bircken, Margrid; Lüdecke, Marianne; Peitsch, Helmut (Hg.): Brüche und Umbrüche. Frauen, Literatur und soziale Bewegungen, Potsdam 2010, S. 193-230.

McGowan, Moray: „Black and White? Claire Goll’s Der Neger Jupiter raubt Europa”, in: Robertson, Eric; Vilain, Robert (Hg.): Yvan Goll – Claire Goll. Texts and Contents, Amsterdam 1997, S. 205-218.

Sekora, Karin: „Vage Hoffnung, dunkle Ängste. Claire Goll, Der Neger Jupiter raubt Europa und Philippe Soupault, Le Nègre“, in: Albers, Irene; Pagni, Andres; Winter, Ulrich (Hg.): Blicke auf Afrika nach 1900. Französische Moderne im Zeitalter des Kolonialismus, Tübingen 2002, S. 41-60.

Struck, Wolfgang: „Auf der Suche nach dem schwarzen Geheimnis. Claire Golls Der Neger Jupiter raubt Europa und ein deutsch-französischer Dialog“, in: Albers, Irene; Pagni, Andres; Winter, Ulrich (Hg.): Blicke auf Afrika nach 1900. Französische Moderne im Zeitalter des Kolonialismus, Tübingen 2002, S. 61-84.

Weitere Literatur

Amesberger, Helga; Halbmayer, Brigitte: Das Privileg der Unsichtbarkeit. Rassismus unter dem Blickwinkel von Weißsein und Dominanzkultur, Wien 2008.

Barthes, Roland: Mythen des Alltags, Frankfurt/M. 1964.

Benthien, Claudia: Haut. Literaturgeschichte, Körperbilder, Grenzdiskurse, Hamburg 1999.

Fanon, Frantz: Schwarze Haut, weiße Masken, Frankfurt/M. 1980.

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Gates, Henry Louis Jr.: „Writing »Race« and the Difference It Makes”, in: Diedrichsen, Diedrich (Hrsg.): Yo! Hermeneutics! Schwarze Kulturkritik, Pop, Medien, Feminismus, Berlin/Amsterdam 1993, S. 71-88.

Kugler, Stefanie; Heinze, Dagmar: „Von der Unmöglichkeit, den Anderen zu lieben“: in: Uerlings, Herbert; Hölz, Karl; Schmidt-Linsenhoff, Viktoria (Hg.): Das Subjekt und die Anderen. Interkulturalität und Geschlechterdifferenz vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Berlin 2001, S. 135-155.

McClintock, Anne: „Soft-Soaping Empire. Commodity, Racism and Imperial Advertising”, in: Dies., Imperial leather. Race, Gender and Sexuality in the Colonial Contest, New York 1995, 207-230.

Montesquieu, Charles de: Vom Geist der Gesetze, Tübingen 1951.

Schausten, Monika (Hrsg.): Die Farben imaginierter Welten. Zur Kulturgeschichte ihrer Codierung in Literatur und Kunst vom Mittelalter bis zu Gegenwart, Berlin 2012.

Wollrad, Eske: Weißsein im Widerspruch. Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion, Königstein/Taunus 2005.

6. Anhang: Farbtabelle

Schwarz Weiß Braun Blond- und Gelbtöne Blautöne Rottöne Hell-/Dunkel-differenzierungen Andere Farbtöne
131 127 30 85 30 85 76 45(z.B. grün, grau)

[1] Goll, Claire: Der Neger Jupiter raubt Europa, Berlin 1987, S. 132. Im Folgenden wird der Roman durch die Sigle „NJ“ zitiert und die Seitenzahl im Fließtext benannt.

[2] Köhler, Sigrid G.: „Schwarz, weiß oder rot? Materialisierungen des Anderen in Claire Golls Roman Der Neger Jupiter raubt Europa“, in: Diallo, M. Moustapha; Göttsche, Dirk (Hg.): Interkulturelle Texturen. Afrika und Deutschland im Reflexionsmedium der Literatur, Bielefeld 2003, S. 77-99, hier: S. 92.

[3] Ebd.: S. 92f.

[4] Ebd.: S. 77.

[5] Ebd.: S. 82.

[6] Vgl. ebd.: S. 82.

[7] Maydell, Miriam von: „Das Zusammenwirken von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ in Claire Golls Roman ‚Der Neger Jupiter raubt Europa‘“, in: Bircken, Margrid; Lüdecke, Marianne; Peitsch, Helmut (Hg.): Brüche und Umbrüche. Frauen, Literatur und soziale Bewegungen, Potsdam 2010, S. 193-230, hier: S. 193.

[8] Vgl. Struck, Wolfgang: „Auf der Suche nach dem schwarzen Geheimnis. Claire Golls Der Neger Jupiter raubt Europa und ein deutsch-französischer Dialog“, in: Albers, Irene; Pagni, Andres; Winter, Ulrich (Hg.): Blicke auf Afrika nach 1900. Französische Moderne im Zeitalter des Kolonialismus, Tübingen 2002, S. 61-84, hier: S. 76.

[9]Auch wenn das Problem mit der Hautfarbe bei Jupiter einen denkbar größeren Stellenwert hat – hervorgerufen durch die koloniale Bewegung −, ist auch Almas Auseinandersetzung eine, die sich im Sozialen artikuliert und aufzeigt, dass sie sich den Menschen ihrer Umgebung − hauptsächlich Französinnen – angleichen will. „Alma […] verwünschte diese schwedische Nationalfarbe, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte“ (NJ 7), heißt es im Roman, der somit aufzeigt, wie die Begriffe von „Nation“, „Identität“ und „Hautfarbe“‘ miteinander verwoben sind.

[10] Köhler (2003), S. 82.

[11] Dietrich, Stephan: „Die Domestizierung des Wilden. Figurationen des Primitivismus-Diskurses in der Weimarer Republik“, in: Musil-Forum. Studien zur Literatur der klassischen Moderne 27 (2001/2002), S. 31-61, hier: S. 55.

[12] Ebd.: S. 55.

[13] Ebd.: S. 54.

[14] McGowan bezeichnet den Text ferner auch treffend als ein „mosaic of mutually overlapping and contradictory tensions of race, gender, class and experience“, der die hierdurch produzierte Spannung „not only as themes but also as structuring devices” verwendet (McGowan, Moray: „Black and White? Claire Goll’s Der Neger Jupiter raubt Europa”, in: Robertson, Eric; Vilain, Robert (Hg.): Yvan Goll – Claire Goll. Texts and Contents, Amsterdam 1997, S. 205-218, hier: S. 205.

[15] Rita Mielke macht in dem Nachwort zum Roman, das sowohl der Argon-Ausgabe als auch der des dtv nachgestellt ist, darauf aufmerksam, dass der „Liebeskampf zwischen zwei Welten“ der Untertitel des Romans in einer der beiden Ullstein-Ausgaben war. Sie fügt hinzu, das man wohl auch treffend vom „Kampf zwischen zwei Welt- und Menschenbildern“ (NJ, Nachwort: S. 151) sprechen könnte.

[16] Die künstlerischen und literarischen Avantgarden hatten in den 1920er Jahren ihre Aufmerksamkeit auf die Kunst und Kultur Afrikas wie auf die Afrikaner selbst gerichtet und somit erstmalig ein künstlerisches Interesse an ihnen entwickelt. Was zuerst als eine Gegenbewegung gegen die herrschenden künstlerischen Normen der bürgerlichen Gesellschaft wie gegen ihre zivilisatorischen Werte angedacht war, hat sich diese Gesellschaft jedoch bald selbst einverleibt.

[17] Dietrich (2001/2), S. 55.

[18] Ebd.: S. 55.

[19] Ebd.: S. 55.

[20] Bischoff, Doerte: „Mode, Maske, Mimikry. Fetischismus und kulturelle Differenz in Claire Golls Der Neger Jupiter raubt Europa“, in: Böhme, Hartmut; Endres, Johannes (Hg.): Der Code der Leidenschaften. Fetischismus in den Künsten, München 2010, S. 382-407, hier: S. 403.

[21] Dietrich (2001/2), S. 58.

[22] Mit Dietrich (2001/2, S. 57) gesprochen „ist [es] wichtig zu beachten, dass es sich […] nicht nur um Erzählerkommentare aus der Außenperspektive handelt. Der Erzähler verfügt zwar einerseits konsequent über den primitivistischen Diskurs und verwaltet dessen Partikel auktorial. Andererseits aber hat er zugleich eine gleitende Funktion und ist durchaus auch mit personalen Eigenschaften ausgestattet“.

[23] Hausdorfs Beitrag wird im Kontext dieser Arbeit kaum Bedeutung zugesprochen, weil er sich auch im Jahr 1990 noch „ausgehend von der Persönlichkeitsentwicklung der Goll“ dem Text zuwendet und somit biographischen Fehlschlüssen anheimfällt. Vgl. Hausdorf, Anna: „Claire Goll und ihr Roman ‚Der Neger Jupiter raubt Europa‘“, in Neophilologus 74 (1990), S. 265-278, hier: S. 265.

[24] McGowan (1997), S. 211.

[25] Vgl. Köhler (2003), S. 96.

[26] Im Kontext dieser Arbeit wird mit dem Begriff „Weißsein“ gearbeitet, da sich hier mit einem deutschsprachigen Text auseinandergesetzt wird. Obgleich wir den Begriff unter Rekurs auf den Begriff der whiteness verwenden, der im Zuge der Critical Whiteness Studies als wissenschaftlicher Terminus ausgebildet und etabliert wurde, wird der übersetzungstechnisch nähere Begriff „Weißheit“ aufgrund seiner lautsprachlichen Nähe zur „Weisheit“ nicht verwendet. „Weißsein“ scheint mir insbesondere für den vorliegenden Text ein passender Begriff zu sein, da ihm ein doppelter Bedeutungssinn (des Seins im ontologischen Sinn und im Sinne von Verhaltensmustern) zukommt, der im Text verhandelt wird.

[27] Ein weiteres Spezifikum des Romans, dem sich ob des Umfangs dieser Arbeit nicht zugewendet werden kann, stellt der Vergleich Jupiters mit einem Juden dar. Die Signifikanz der Vergleiche lässt sich als Versuch Golls deuten, rassistisch besetzte Farbsemantiken ‚die Schwarzen‘ betreffend mit denen die Juden betreffend in einen gemeinsamen Bezugs- und Deutungsrahmen zu setzen und so auf die lange Tradition der Farben in der Kultur − und somit auch in der Literatur − zu verweisen. Dagmar C. G. Lorenz arbeitet in ihrem Aufsatz „Imaginierte Körperfarbe. Zur Konstruktion und Kritik rassistisch besetzter Farbsemantiken das Jüdische betreffend“, der in dem in dieser Arbeit ebenfalls zitierten Sammelband von Monika Schausten erschienen ist, heraus, dass es sich bei den Bildern zur Imagination von Juden und Nicht-Juden um bereits vorgegebene bzw. abgerufene farbliche Bilder handelt, die herangezogen werden, um das Verständnis vom Eigenen und Fremden ausdrücken zu können. Ein Anschluss bzw. eine Ausweitung dieser Forschungsarbeit auf das Werk Golls erscheint mir ein vielversprechendes Forschungsgebiet darzustellen, das einen wesentlichen Beitrag zur Generierung einer Literaturgeschichte der Farbsemantiken liefern könnte.

[28] Köhler (2003), S. 82.

[29] Vgl. Maydell (2010), S. 197.

[30] Ebd.: S. 197.

[31] Vgl. Köhler (2003), S. 82.

[32] Köhler (2003), S. 83.

[33] Obgleich die Girl-Kultur der 1920-er Jahre einen Emanzipationsschub für die Stellung in der Gesellschaft und das Selbstverständnis der Frau birgt, stellt McGowan (vgl. S. 216) heraus, dass jedoch eine typische Emanzipationsform dieser Zeit von der Frau selbst in der Erfüllung männlicher Fantasien gesehen wurde.

[34] Sekora, Karin: „Vage Hoffnung, dunkle Ängste. Claire Goll, Der Neger Jupiter raubt Europa und Philippe Soupault, Le Nègre“, in: Albers, Irene; Pagni, Andres; Winter, Ulrich (Hg.): Blicke auf Afrika nach 1900. Französische Moderne im Zeitalter des Kolonialismus, Tübingen 2002, S. 41-60, hier: S. 47.

[35] Ebd.: S. 47.

[36] Struck (2002), S. 73.

[37] Ein solches Verfahren, das bereits zu Beginn des Textes einer Figur einen Zwischenstatus zuschreibt und auf die Vermischung ethnischer und nationaler Linien verweist, ist im Kontext des Seminars „Postkoloniale Lektüren“ auch anhand von Kleists Die Verlobung von St. Domingo thematisiert worden. Mit der Figur Toni tritt eine sogenannte „Mestizin“ (indianisch-weißer-Mischling) auf, die sich aus strategischen Gründen als Europäerin ausgibt. In Kleists Erzählung ist es dieser ambiguöse Status der Figur, der sich als Drehpunkt der Handlung erweist. Tonis Hautfarbe − zum Beispiel das Erröten ihrer Wangen – wird hier ebenso zum Zeichen ihrer ethnischen Zugehörigkeit erhoben.

[38] Bischoff (2010), S. 403.

[39] Ferreira, Grada: „Die Kolonisierung des Selbst – der Platz des Schwarzen“, in: Steyerl, Hito; Rodríguez, Encarnación Gutiérrez (Hg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik, Münster 2003, S. 146-165, hier: S. 161.

[40] Köhler (2003), S. 94.

[41] Schausten, Monika (Hrsg.): Die Farben imaginierter Welten. Zur Kulturgeschichte ihrer Codierung in Literatur und Kunst vom Mittelalter bis zu Gegenwart, Berlin 2012, hier: Einleitung, S. 12.

[42] Diesem Faktum ist es wohl auch geschuldet, dass eine Bibliographie zu den Farben in der Literatur(-wissenschaft) zum Großteil nur solche Arbeiten auflistet, die einen mediävistischen Zugang haben.

[43] Vgl. Wollrad, Eske: Weißsein im Widerspruch. Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion, Königstein/Taunus 2005, S. 19.

[44] Benthien, Claudia: Haut. Literaturgeschichte, Körperbilder, Grenzdiskurse, Hamburg 1999, S. 172.

[45] Köhler (2003), S. 80.

[46] McGowan (1997), S. 211.

[47] Montesquieu, Charles de: Vom Geist der Gesetze, Tübingen 1951, S. 334.

[48] David Hume zitiert nach Gates, Henry Louis Jr.: „Writing »Race« and the Difference It Makes”, in: Diedrichsen, Diedrich (Hrsg.): Yo! Hermeneutics! Schwarze Kulturkritik, Pop, Medien, Feminismus, Berlin/Amsterdam 1993, S. 71-88, hier: S. 81.

[49]Vgl. McClintock, Anne: „Soft-Soaping Empire. Commodity, Racism and Imperial Advertising”, in: Dies., Imperial leather. Race, Gender and Sexuality in the Colonial Contest, New York 1995, 207-230, hier: S. 207, die dieses Zitat zur Seife dem Kapitel voranstellt.

[50] Ebd.: S. 207.

[51] Ebd.: S. 226.

[52] Vgl. „Eine weiße Frau heiraten und damit in die beneidete Rasse eingereiht werden, ein Traum, den er jährlich in 365 Episoden träumt“ (NJ 31). Goll antizipiert hier gewissermaßen Frantz Fanons folgende Passage aus Schwarze Haut, weiße Masken: „Aus dem schwärzesten Teil meiner Seele […] steigt der Wunsch in mir auf, auf einmal weiß zu sein. […] Wer aber […], wer aber kann das tun, wenn nicht die weiße Frau? Indem sie mich liebt, beweist sie mir, daß ich einer weißen Liebe würdig bin. Man liebt mich wie einen Weißen. Ich bin ein Weißer. Ihre Liebe öffnet mir den berühmten Durchgang, der zur totalen Präsenz führt… Ich vermähle mich mit der weißen Kultur, der weißen Schönheit, der weißen Weiße. In diesen weißen Brüsten, die meine allgegenwärtigen Hände streicheln, mache ich mir die weiße Zivilisation und Würde zu eigen“ (, S. 48). Angemerkt sei, dass Fanon jedoch hiermit nur eine von mehreren möglichen Reaktionen auf die koloniale Erfahrung von einer Figur ausrufen lässt und diese Figur selbst sprechen lässt, wohingegen bei Goll die auktoriale Erzählsituation hier als eine Stimme von Jupiters Unterbewusstsein fungiert.

[53] Während wir in westlichen Ländern von der Kosmetikindustrie vorwiegend Bräunungsprodukte angeboten bekommen, werden beim Verkauf sogenannter Weißmacher auf dem asiatischen und afrikanischen Markt ungleich höhere Umsätze erzielt. Mit Wollrad (2005, S. 150) gesprochen, gibt es kaum eine Markenfirma, die auf d[ies]em Sektor […] nicht vertreten ist […]“. Die Marken werben damit, dass ihre Produkte die dunklen toten Hautzellen entfernen, womit nicht nur diese Schönheitsdiktate über einen vermeintlichen Zusammenhang mit dem Gesundheitsdiskurs ausgestellt werden, sondern darüber hinaus die weiße Haut als die ursprüngliche und natürliche Hautfarbe postuliert wird.

[54] Vgl. Titel des folgendem Aufsatzes: Kugler, Stefanie; Heinze, Dagmar: „Von der Unmöglichkeit, den Anderen zu lieben“: in: Uerlings, Herbert; Hölz, Karl; Schmidt-Linsenhoff, Viktoria (Hg.): Das Subjekt und die Anderen. Interkulturalität und Geschlechterdifferenz vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Berlin 2001, S. 135-155.

[55] Amesberger, Helga; Halbmayer, Brigitte: Das Privileg der Unsichtbarkeit. Rassismus unter dem Blickwinkel von Weißsein und Dominanzkultur, Wien 2008, S. 132.

[56] Ebd.: S. 132.

[57] Barthes, Roland: Mythen des Alltags, Frankfurt/M. 1964, S. 147.

[58] Amesberger/Halbmayer (2008), S. 132.

[59] Amesberger/Halbmayer (2008), S. 132f.

[60] Vgl. Köhler 93

[61] Vgl. Köhler (2003), S. 93.

[62] Ebd.: S. 93.

[63] Diese Kapitelüberschrift ist dem Aufsatz Köhlers entliehen. Vgl. Köhler (2003), S. 94f.

[64] Köhler (2003), S. 93.

[65] Zur Bedeutung der Farbe Rosa im Kontext der Erzählung siehe Köhler (2003), S. 93f. (Fußnote 26).

[66] Köhler (2003), S. 94.

[67] Ebd.: S. 95.

[68] Köhler (2003), S. 95.

[69] Ebd.: S. 94 (Fußnote 27).

[70] Schausten (2012), S. 14.

[71] McGowan (1997), S. 205.

[72] Ebd.: S. 205.

[73] Ebd.: S. 209.

[74] Bischoff (2010), S. 403 (wie auch Fußnote 38).