forscht // 08.12.2011

Großstadt, lyrischer Winterpunsch.

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Einige von Euch wissen ja bereits, dass ich dieses Semester ein Tutorium gebe und meine herzallerliebste Oberbefehlshaberin dabei unterstütze, die wesentlichen Grundzüge der Neueren deutschen Literatur Studenten und Freunden des studentischen Lebens zärtlich aber effektiv in ihren Denkapparat zu hämmern. Im Kontext dieser Arbeit stand heute, an diesem vorweihnachtlichen Dunkeltag, die Großstadtlyrik auf dem Plänchen. Über den Dächern der schönsten Stadt der Welt, im elften Stock des Philosophenturms, wollte ich nun aber nicht nur neunzig Minuten lang stumpf klingende Theorie lobpreisen, sondern meine Horde GermanistInnen zum produktiven Aktionismus aufrufen, der im universitären Kontext allzu oft in Vergessenheit gerät, obwohl gerade er vielen der  Erstsemestler als wesentlicher Beweggrund für ihr Studium zugesprochen werden kann. Auf kleinster Fläche also werkelten kleine schlaue Räuchermännchen an ihren „Elfchen“ und weiteren lyrisch wertvollen Formaten, denen ich im Folgenden Platz gewähren möchte und somit hier offiziell auch die tiefschwarze Jahreszeit willkommen heiße, die hoffentlich ein paar Sternstunden für mich und Euch bereithält!

Die Menschen gehen weiter/ so als ob nichts war/ sie tun als wären sie heiter/ und alles wunderbar/ Doch nachts in ihren Straßen/ wenn der Tod erwacht/ ein jeder muss drauf warten/ und keiner hat’s bedacht/ So geht ein jeder trunken/ die Reeperbahn entlang/ in Selbstmitleid versunken/ sieht vor sich schon den Strang

Vogelstadt/ Nebel krähen/ Tauben flattern Blinden/ ins Gesicht ein Licht/ zerstaubt

Angst presst graue Menschen durch die Straßen,/ die blind den aufgerissenen Blicken folgen,/ die ihre Augen für sie taten./ Hinter verschlossenen Türen wartet Freiheit –/ auf die Masse-Mensch.Wer sich nicht wenden kann wird überwunden./ Elektrisiert wird mit dem Strom geschwommen./ Jeder wie ich  − ist keiner mein./ Im Schatten blätterloser Bäume/ fühlen wir Liebe und Heimat –/ fühlen wir nichts.


Stadtsache/ überhitzte Kühle/ Dummheit und Illusion/ falle, steh‘ auf, lache/ dröhnend

 

Großstadtraum/ schafft Traum/ wer braucht Baum?/ Glück gibt es kaum/ Ewigkeit

Fabrik/ kopflose Sicht/ was machen wir?/ wir leben im Labyrinth,/ Teufelskreis.

Kiez/ Eigene Welt/ Abschottung von außen/ Kein Blick über’n Tellerrand/ Stillstand

Großstadtnächte/ Freiheit lebt/ Straßen geben Leben/ keine Ruhe, viel Tumult/ belebt

Pappkartonhäuser/ regenklamme Weichfassade/ bärtiger bettelnder Blick/ handinwendiges Geld knirscht kalt/ Weihnachten

 Atemnot/ Im Leben/ Musst du streben,/ Ameise! Kannst was haben/ Tod

Schwarze Straßen/ Wie Laufbänder scheinen sie/ Man läuft los, doch kommt nicht an./ Nicht heut, nicht irgendwann./ Schwarze Straßen treiben Vieh.

Großstadt/ Häuserblöcke ragen/ Infrastruktur schafft Bewegung/ spärlich Grün zwischen Beton/ Hektik

Großstadtleben/ alltägliche Anonymität/ Wer bist Du?/ Nachbarn kennen Dich nicht/ Einsamkeit

Großstadtprobleme/ Krankheit zeichnet/ Alltagsbewältigung wird mühsam/ müde Beine können nicht/ Alter

 Betonwüsten/ saufende Käufer/ mit nasskalten Füßen/ verschwinden im hellbraunen Schnee/ Herdentiermoral…

Nutznießertum/ Verletzter Stolz/ Take-away Burnouts/ illusionäres Miteinander, schweigsames Beieinander/ Next stop: Central Station!